Geschichte & Tradition

Geschichte & Tradition

Augsburg ist neben Wittenberg, Worms und Eisenach (Wartburg) eine Hauptstadt der Reformation. Hier wurden Gedanken formuliert, Dokumente vorgelegt und Reichstagsbeschlüsse gefasst, die bis heute weit über den religiösen Rahmen hinaus kulturgeschichtliche Bedeutung gewonnen haben.

1518 In Augsburg formuliert Martin Luther vor dem päpstlichen Gesandten Cajetan: «Es muss erlaubt sein, über Dinge, die zweifelhaft sind und in vielfältiger Meinung vertreten werden, zu disputieren und auch Widerspruch gegen die herrschende Meinung einzulegen.» - eine grundlegende Voraussetzung für jede moderne Wissenschaft und für Demokratie. Sie muss immer wieder neu gegen ideologische Absolutheitsansprüche eingeklagt werden.
In Augsburg fordert Luther zum ersten Mal eindeutig: Alle kirchliche Autorität muss sich der Bibel unterordnen. Nur das Wort Gottes ist die Quelle echter Freiheit. Gegenüber dem Kardinal, der ihn zum Widerruf nötigen will, beruft sich Luther auf sein an Gott gebundenes Gewissen.
Diese für die Reformation grundlegenden Aussagen führen kurz darauf zur kirchlichen, später dann auch zur staatlichen Ächtung Luthers.

1530 Das Augsburger Bekenntnis («Confessio Augustana»), vor Kaiser und Reichsständen öffentlich vorgetragen, ist die Lehrgrundlage von 145 evangelischen Kirchen in 79 Ländern weltweit, denen rund 70 Millionen Christen angehören. Philipp Melanchthon hat die Confessio Augustana in Zusammenarbeit mit Martin Luther verfasst und vorgetragen.
Hauptthema ist die befreiende Kraft des Glaubens an Jesus Christus gegenüber den lebensvernichtenden Zwängen des Leistungsdenkens. Der Mensch wird von Gott wertgeschätzt und angenommen, wie er ist. Aus diesem Grundvertrauen heraus, «wertvoll» zu sein, können wir uns selbst und unseren Mitmenschen liebevoll begegnen, können ohne Sorge um uns selbst Verantwortung für unsere Welt übernehmen.
Die Frage nach der Wahrheit ist nicht entschieden: um die Wahrheit muss gestritten werden. Kein kirchliches Lehramt darf sie abschließend beantworten.
Was die Kirche eint ist das echte Predigen des Wortes Gottes und die Feier der Sakramente Taufe und Abendmahl gemäß ihrer Einsetzung. Kirchenordnungen, Zeremonien und Bräuche können dagegen ganz unterschiedlich sein.
Päpstliche und Lutheraner können sich in Augsburg nicht einigen, die Lehrmeinung der «Protestanten» wird verworfen.

1555 Während die katholische Seite in Trient ein «Gegenkonzil» gegen die Reformation abhält und nachdem die Protestanten auch militärisch gegen die kaiserlichen Truppen unterliegen, kommt es in Augsburg zu einem sogenannten «Religionsfrieden». Es ist der erste Versuch, das Verhältnis der beiden Konfession im Reichsgebiet so zu regeln, dass eine eingeschränkte Gleichberechtigung gilt.


1629
Im 30-Jährigen-Krieg werden die evangelischen Kirchen in Augsburg zunächst geschlossen, teilweise abgerissen. Als die Schweden (Gustav-Adolf) Augsburg erobern (1632/34), werden jedoch die Katholiken unterdrückt. Nach Vertreibung der Schweden ergeht es den Protestanten so (1635-48). Erst als der Westfälische Friede den 30-Jährigen-Krieg beendete, wurde auch den beiden großen Konfession volle «Parität», also Gleichberechtigung zugestanden.


1650 An den Beginn der Unterdrückungen, den 8. August 1629 und ihr Ende 1648 erinnert das erstmals begangene «Augsburger Hohe Friedensfest». Es ist seit 1950 staatlicher Feiertag und wird heute in ökumenischer Gemeinschaft gefeiert.


1732-34 wird Augsburg durch Pfr. Samuel Urlsperger zum Sammelpunkt der um ihres evangelischen Glaubens willen vertriebenen Salzburger. Von hier aus ziehen sie weiter bis nach Ostpreußen und nach Georgia/USA. Zur Luth. Kirche im Süden der USA besteht heute eine Partnerschaft des Evang.-Luth. Kirchenkreises Schwaben (unterzeichnet am 4. Juni 2000 in St. Anna).


1971 findet in Augsburg, angestoßen von den Erneuerungsimpulsen des II. Vatikanischen Konzils ein großes ökumenisches Pfingsttreffen statt. 20.000 Teilnehmer feiern und beten gemeinsam für das Zusammenwachsen der Christen in unterschiedlichen Konfessionen.
        
1999 Ausgehend vom ersten Deutschlandbesuch von Papst Johannes Paul II. beschäftigte sich eine Gemeinsame Kommission mit den Lehrverurteilungen des 16. Jhdts. Ein Ergebnis dieser Arbeit ist die «Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre», die am 31. Oktober 1999 in St. Anna unterzeichnet wurde. Zum Kern der Lehre Martin Luthers wurde in dieser Erklärung ein gemeinsames Verständnis gefunden. Vatikan und Luth. Weltbund sagen nun: «Gemeinsam bekennen wir: allein aus Gnade im Glauben an die Heilstat Christi, nicht auf Grund unseres Verdienstes werden wir von angenommen und empfangen den Heiligen Geist, der unsere Herzen erneuert und uns befähigt und aufruft zu guten Werken.» (GE 15)